Lorica hamata - Das Kettenhemd im Eigenbau


Ich möchte hier nur einige Dinge zum Selbstbau eines Kettenhemdes darstellen, was das Historische mit dem Heutigen zu tun hat und was ich davon halte. Detaillierte Bauanleitungen und Co. möchte ich anderen Stellen überlassen.

Einfach nur Draht, und Draht bleibt Draht !

Wer sich heute Draht für ein Kettenhemd im Baumarkt kauft, darf nicht vergessen, dass es zur Zeit der Römer (soweit bekannt) noch kein Zieheisen gab, in dem kilometerlanger Draht einfach und schnell durch Ziehen von Eisenstäben durch immer kleiner werdende Löcher hindurch hergestellt wird; Vielmehr musste jeder einzelne Zoll Draht von Hand aus groben Barren geschmiedet und gestreckt werden. Die Eisenluppe für den Draht wurde zuerst mehrfach durch
Falten und Hämmern gereinigt und allein für die vielen hundert Meter Draht eines Panzerhemdes brauchte man so Tage und Wochen.
(Möglicherweise gab es auch eine, uns noch unbekannte, schnellere Methode.
Das älteste gefundene, eindeutige Zieheisen ist von etwa 800-900 n. Chr.)
Dies erforderte Schmiedewerkstätten die allein Drähte (für Kettenhemden und Ähnliches) herstellten, andere die diese Verflochten und sogar jeden einzelnen Ring vernieteten. Auch gestanzte Ringe wurden verwendet, die stählernen Stanzeisen dafür waren jedoch weit weniger dauerhaft als moderne Chrom-Vanadium-Werkstoffe, so dass gestanzte Ringe auch keine "Billigware" waren.

Ich will damit zum Ausdruck bringen, dass kaum jemand ein 100 % authentisches Kettenhemd bezahlen oder bauen könnte, wenn es genauso gefertigt werden soll wie anno dazumal. Es braucht also einen sinnvollen Kompromiß zwischen historisch-authentisch und modern-praktisch, der nur subjektiv von Person zu Person eine Daseinsberechtigung finden kann.

Römische Kettenhemden waren je nach Epoche hüft- bis knielang und besaßen bis etwa 100 n. Chr. Schulterklappen. Die Ringe waren aus Eisen, selten aus Bronze, von etwa 1,2 bis 1,4 mm Stärke und 5 bis 9 mm Innendurchmesser. Sie wurden vernietet, so dass "geschlossene" Ringe entstanden; Feuerverschweißen solcher Kleinigkeiten ist praktisch unmöglich ! Daneben gab es auch aus 1mm Blech gestanzte Ringe.

Wer sich ein solches Hemd bastelt, muss selbst bestimmen was er wie machen möchte. Klar ist in der Regel:
Es wird gezogener Draht verwendet, von rundem Durchmesser.
Antiker Draht war geschmiedet und rundlich, aber nicht völlig rund. Da er in seiner Endphase zu dünn zum Warmschmieden war, wurde er erhitzt, vorsichtig stückchenweise langgezogen (wie ein Teigstrang) und immer wieder zwischengeglüht.
Er war nicht verzinkt oder anderweitig rostfrei gemacht, und es konnten auch keine längeren Qualitäten als einige Meter hergestellt werden. Heute wird solcher Draht nicht mehr hergestellt und er wäre auch unbezahlbar, der Arbeitsaufwand wäre viel zu groß.

Von dieser Tatsache aus kann ein heutiges Kettenhemd nicht authentisch sein !

Soweit dazu.

In der Regel werden heutige Kettenhemden nicht aus vernieteten Ringen hergestellt, der Aufwand ist zu groß:

Ein Geflecht unvernieteter Eisenringe aus 1,2 mm Draht mit 0,7 mm Durchmesser ist aber so instabil, dass ich es mit einem Butterbrotmesser zerstören und durchdringen kann. Selbst mehrere Lagen sind für einen Kugelschreiber kein Hinderniss, ein (etwas unhistorischer) Armbrustschuss (150 lbs) geht durch ein ganzes Bündel sauber hindurch.

Man sieht: Hier ist die ansonsten wunderschöne massstabsgetreue Replik pures Kostüm ! Wenn gestanzte Ringe (Unterlegscheiben) verwendet werden bietet sich ein ähnliches Bild. Zudem gehen solche dünnen, unvernieten Ringe beim Tragen immer wieder auf und lösen sich aus dem Verbund. Es muss einem im Klaren sein, dass ein solches Hemd in einem Kampfe sinnlos wäre. Da aber kaum jemand sein Kettenhemd jemals einer solchen Prüfung unterziehen wird und will, erübrigt sich das für die Meisten.

Die Vernietung der Ringe erfolgte zudem daraus, das Ringe aus damaligem Eisen nicht so stabil sind wie aus heutigem Eisen (mikroskopische Schlackenreste). Die Vernietungen waren auch nicht absolut stabil: Ein Pfeil, spitzer Dolch oder kräftiger Schwertstich oder Axtstreich sprengten die Nieten teilweise auf.

Wer aus Geldmangel oder Zeitgründen keine Ringe vernieten, und trotzdem ein "echtes Panzerhemd" haben will, muss zwangsläufig auf andere Materialien oder Dimensionierungen umsteigen. Federstähle oder V2A Stahl sind, wenn auch sehr stabil, absolut unhistorisch und schwer zu verarbeiten.

Im Großhandel ist guter Eisendraht von 0,8; 1,2 oder 2mm zu haben, alle anderen Zwischengrößen sind recht teuer oder müssen extra bestellt werden (20- oder 70 kg-Rolle).

Ich wählte nach einigen Versuchen deshalb 2mm starken Draht. Ich kaufte 10 kg für gefeilschte 20 Euro, bekam 5kg geschenkt und strickte aus Ringen von 9 mm Innen- und 13 mm Außendurchmesser ein lichtes Kettenhemd; lang bis zur oberen Mitte meiner Oberschenkel und mindestens 140 cm weit. Die Ringgröße liegt also scharf an der obersten Grenze, der Draht ist schon zu dick, da ich aber auch mehr Wert auf Stabilität legte ist mir das egal (subjektiver Kompromiß). Alle Schwachstellen, wie die Nahtanfänge am Kragen oder den Scheinärmeln besitzen gedoppelte Ringe.
Dieses Kettenhemd ist so stabil, das weder Butterbrotmesser noch Kugelschreiber ihm etwas anhaben können und auch kräftige Stiche mit einem Pugio hielt es dahingehend auf, als das einzelne Ringe nur leicht aufgebogen waren und ein tiefes Eindringen verhinderten: Ich empfehle somit 2mm Draht zu verwenden, wenn jemand auf Stabilität Wert legt ohne allzu unhistorisch zu sein.
Doch eine dünne Spitze durchschlüpft das Kettenhemd genauso leicht, wie ein Axthieb oder Armbrustbolzen es zerreißen:
Solchen Gewalten würde auch ein römisches Original nicht standhalten.

Waffen & Ausrüstung: Panzer (Lorica)


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