Numantia


(Die Auseinandersetzung mit den Römern 143- 133 v. Chr.)

von Helga Fröhlich



Numantia war ursprünglich eine iberische Siedlung, die um 300 v. Chr. von den eingewanderten Kelten übernommen wurde.

Lage:

Numantia lag im Norden von Spanien, nahe des heutigen Soria beim Dorf Garray, auf dem Plateau von Altkastilien, auf fast 1100 m. Es war eine kleine Stadt (ca. 10 ha). Im Westen des Hügels fließen die Flüsse Duero und Tera, im Süden der Merdancho. Sie erleichtern die Verteidigung, aber auch die Circumvallation. Im Altertum war das Gebiet laut Appian von dichten Wäldern umgeben. In der Ebene im Osten lagen die Äcker. Es wurde nur relativ wenig Ackerbau betrieben, es dominierte die Viehzucht. Die Numantiner bekamen Getreide von den Vakkaiern. Numantia liegt an einer der wenigen Brücken über den Duero. Mehrere Straßen liefen dort zusammen, deshalb hatte die kleine Stadt eine große strategische Bedeutung. Sie war die Hauptstadt aller Duerostämme und verfügte über wichtige Bündnisse.
Die Mauer, die die Stadt umgab, war 6 m stark. Heute ist davon nur mehr das Fundament erhalten. Bisher wurden nur zwei Tore (im Süden und im Westen) gefunden; wahrscheinlich gab es aber noch eines im Osten. Über die Bevölkerung schreibt Appian, dass es 143 v. Chr. 8000 Krieger waren. Aus der Stadt selbst stammten aber wahrscheinlich nur 2000, die anderen kamen aus der Umgebung. Als verbündete Nachbarn dazukommen, wächst die Stadt über die Mauern hinaus. Es wurde aber keine neue Mauer gebaut, nur die Ostseite (die am meisten gefährdet war) wurde durch spitze Steine und Gräben gesichert.

Ereignisse:

Seit 180 bestand ein Vertragsfriede mit Rom, der 154 durch einen Aufstand der Celtiberi und Lusitani gebrochen wurde. Konsul Nobilior versuchte, die Stadt zu erstürmen, was ihm nicht gelang. Konsul Marcellus schloss 151 durch Verhandlungen Frieden. Dieser Friede bestand acht Jahre- auch in dieser Zeit wurde keine neue Mauer gebaut.
143 brach der Krieg wieder aus; diese zehnjährige Phase wird „Bellum Numantinum“ genannt, weil die verbündeten Stämme nach und nach Frieden schlossen und Numantia den Krieg allein führte.
Die ersten Feldherren waren hauptsächlich mit Nachbarstämmen beschäftigt, wo sie auch viele Truppen einbüßten. Q. Pompeius Aulus versuchte zwar, einen Fluss in die Ebene umzuleiten, was ihm aber nicht gelang, weil die Numantiner inzwischen angriffen. Die Numantiner fügten den Römern immer wieder Niederlagen zu, obwohl sie bei weitem in der Minderheit waren. Sie waren nur etwa 8000 Mann, die Römer dagegen 60000. Sie griffen die Römer immer wieder geschickt an und töteten viele von ihnen. Die nachkommenden, kriegsunerfahrenen Soldaten waren nicht an die Kälte gewöhnt und wurden allein dadurch stark dezimiert.
Pompeius Aulus schloss heimlich mit Numantia einen Vertrag, leugnete dann aber die Abmachung, sobald sein Nachfolger im Amt war- der Krieg wurde fortgesetzt.
Auch seine Nachfolger hatten keinen Erfolg. Einer davon, Mancinus, wurde von den Numantinern eingeschlossen und gezwungen, Frieden zu schließen. Der Senat war empört über Bedingungen, also musste Mancinus muss nach Rom vor Gericht. Dort wurde beschlossen, dass er unbekleidet den Numantinern ausgeliefert werden sollte- die wollten ihn aber nicht aufnehmen. Was weiter mit Mancinus passierte, schreibt Appian nicht.
Die nächsten Feldherren konzentrierten sich wieder auf die Nachbarn und wagen sich nicht mehr nach Numantia.
Der Krieg hatte sich nun schon fast zehn Jahre hingezogen. Rom hatte viele Truppen eingebüßt und noch immer war kein Ende in Sicht. Doch 134 wurde
Scipio, der Sieger über Karthago, nocheinmal zum Konsul gewählt. (Sein voller Name lautet zu diesem Zeitpunkt P. Cornelius Scipio Aemilianus Africanus - nach dem Krieg erhielt er auch noch den Beinamen Numantinus.) Er übernahm das Kommando über den Krieg. Scipio reiste zuerst mit wenigen Begleitern voraus nach Spanien und ließ 4000 Mann aus Italien nachkommen. Begleitet wurde er u. a. von Polybios, dem damals schon über 60-jährigen Geschichtsschreiber, der ihm als Berater zur Seite stand.
Scipio hatte nur 10 000 italische Truppen, außer ihnen noch insgesamt 50 000 italische und iberische Verbündete. Diese kommen teilweise erst während der Belagerung dazu (z.B.: numidische, pergamenische und syrische Hilfstruppen.) 30 000 Mann (also die Hälfte seines Heeres) sind Spanier! Wahrscheinlich stammten diese 30 000 aus weiter entfernten Gegenden, weil die benachbarten Arevaker noch nicht so vertrauenswürdig für die Römer waren. Wichtig für Scipio waren vor allem Bogenschützen und Schleuderer. Sie sollten die Feinde schon aus der Ferne schwächen, denn Scipio wusste, dass seine Truppen im Kampf schlechter waren.
Seine Ankunft in Spanien war ca. im April 134. Das Heer hatte in Karpetanien überwintert; die Übergabe fand wahrscheinlich in Tarraco (dem heutigen Tarragona), an der Küste, statt.
Die ersten Maßnahmen des neuen Feldherrn im Lager könnte man als "aufräumen" bezeichnen:
„...verwies sämtliche Kaufleute und Hetären, dazu Wahrsager und Opferpriester [aus dem Lager] und verbot, irgend etwas Unnötiges ins Lager hereinzubringen“. Er befahl auch den Verkauf überflüssiger Gegenstände. „für die Zubereitung von Speisen durfte niemand mehr als einen Spieß, einen ehenen Topf und einen einzigen Becher besitzen... Auch verbot Scipio die Verwendung von Betten und schlief selbst als erster auf einem Strohlager“
Scipio versuchte dadurch, die Kampfmoral des über Jahre schlecht geführten Heeres wiederherzustellen. Er exerzierte und gewöhnte die Männer an lange Märsche und Schanzarbeiten, während sie sich nach Westen, auf Numantia zubewegten. Er verheerte das Land der Vakkaier, von denen die Numantiner ihre Verpflegung bezogen. Zum Beispiel ließ er das Getreide grün schneiden und verwendete es als Futter für die Tiere der Römer. Was er nicht brauchen konnte, verbrannte er.
Obwohl die Numantiner die Römer mehrmals herausforderten, ließ Scipio sich nie auf eine Schlacht ein. Sein Heer war nicht gut genug, und seine Vorgänger waren schon mit besseren Truppen von den Numantinern besiegt worden. Scipio nahm auch extra einen Umweg, als er richtung Numantia marschierte, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. Er war entschlossen, die Stadt auszuhungern. Wahrscheinlich kam das römische Heer ca. im September oder Oktober vor Numantia an. Scipio ließ die Stadt durch eine Mauer einschließen. Im Osten wurde 100m davor ein Graben ausgehoben, damit die Numantiner die Bauenden nicht beschießen könnten. Sonst stellten die Flüsse ein Hindernis dar. Die Mauer war unten 4m breit und 3m hoch.
Scipio ließ zwei Hauptlager bauen: in Castillejo führte er selbst das Kommando, in Pena Redonda sein Bruder Fabius Maximus.
Je 1 Legion stand in diesen Lagern. Dazwischen lagen noch fünf Nebenlager, die den Hügel von Numantia umgaben.
Die Numantiner versuchten immer wieder, den Bau zu stören, aber vergeblich. Scipios Leute waren zu viele. Durch die Mauer war die Stadt völlig von der Außenwelt abgeschnitten. Lebensmittel, Waffen etc. kamen bisher über Fluss Duero nach Numantia. Weil der Fluss zu reißend war, um eine Brücke zu bauen, wurden lange Balken vertäut. Diese schwammen obenauf, wurden mit Messern und Speerspitzen versehen und durch die Strömung ständig in Bewegung gehalten. An dieser Konstruktion der Römer kam keiner mehr vorbei, egal ob in einem Boot oder als Schwimmer oder Taucher.
Scipio hatte die Numantiner nicht überraschen können, also waren sie gut mit Lebensmitteln versorgt- die Belagerung zog sich hin. Durch die Circumvallation hatten Angreifer und Verteidiger die Rollen getauscht, die Römer waren nun Verteidiger, die Numantiner Angreifer. An der Mauer entlang standen im Abstand von je 100 Fuß Türme, von denen aus Signale gegeben wurden, sobald die Numantiner versuchten, durchzubrechen. Am Tag wurde durch eine rote Fahne, in der Nacht durch eine Fackel ein Zeichen gegeben, wenn ein Turm in Bedrängnis geriet. Es gab einen genauen Plan, was dann zu tun war. Jedereinzelne hatte seinen festgelegten Platz.
Scipio war allerdings nicht vorbereitet auf einen Angriff von außen; er befürchtete nicht, dass jemand Numantia helfen würde.
Ein Mann namens Rectugenos schaffte es trotz des ausgeklügelten Warnsystems, in der Nacht über die Mauer zu klettern und in Nachbarstadt Lutia (55km westlich) um Hilfe zu bitten. Die Jungmannschaft von Lutia wollte helfen, die älteren aber verständigten Scipio; das Unternehmen hatte keinen Erfolg. Scipio zwang sie, die Beteiligten auszuliefern und ließ ihnen die rechten Hände abhacken. Das harte Vorgehen zeigt, dass wahrscheinlich eine römische Niederlage gereicht hätte, um den Widerstand im restlichen Spanien sofort wiederaufflammen zu lassen.
Viele Numantiner starben im Lauf der Zeit an Hunger und sie mussten zuerst die Toten, später auch die Kranken und Schwachen essen, um zu überleben. Im Jahr 133 schickten sie Gesandte an Scipio, der Auslieferung von Stadt und Waffen forderte. Schließlich ergab sich Numantia. Die meisten Einwohner begingen Selbstmord, die Übrigen lieferten sich und ihre Waffen aus. Sie boten einen fürchterlichen Anblick:
„Hunger, Seuche, langes Haar und die Länge der Zeit machten ihre Körper denen wilder Tiere ähnlich....
Ihre Körper waren ungepflegt, die Haare und Nägel lang gewachsen, und sie selbst starrten vor Schmutz.
Sie stanken unerträglich und die Kleider, welche sie trugen, waren ebenfalls schmutzig und nicht minder übelriechend.“

Scipio suchte sich 50 davon für seinen Triumphzug aus, die übrigen wurden in die Sklaverei verkauft. Sein Triumph war ruhmvoll aber arm, weil er fast keine Beute gemacht hatte. Seitdem trug er den Beinamen Numantinus.

Folgen:

Numantia wurde dem Erdboden gleichgemacht (laut Appian durch Scipio, laut einem anderen Bericht zündeten es die Numantiner selbst an). Scipio wartete dafür die Anweisungen aus Rom nicht ab.
Der Sieg über Numantia bedeutete Ende der spanischen Kriege.
Das Gebiet wurde unter die Nachbarn aufgeteilt, die sich unterworfen hatten.
Später entstand an dem Ort eine neue Siedlung. Unter Augustus wurdeneue Stadt gegründet, die bis 400 bestand.
Bei der Einwanderung der Germanen wurde sie vermutlich verlassen.

Literatur:

Bibliothek der griechischen Literatur Bd. 23: Appian von Alexandria. Römische Geschichte, 1. Teil, die römische Reichsbildung.
Üs: Otto Veh, Anton Hiersemann, Stuttgart, 1987
A. Schulten: RE XVII, 1 (1936), Sp. 1254- 1270, s. v. Numantia DNP s. v. Numantia
H. Simon: Roms Kriege in Spanien, 154- 133 v. Chr., Frankfurt am Main, 1962
A. Schulten: Numantia, Eine topographisch- historische Untersuchung, Berlin 1905
L. Keppie: The making of the roman army. From republic to empire, ©1984 Routledge, London

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