Rom und Karthago

Die Geschichte der drei Punischen Kriege bei Vergil und Livius

Titelbild

Yahya Abu-Yahya / Ingo Henneberg





Inhalt

1.    
Die Geschichte Karthagos und die Beziehungen zum römischen Reich
1.1   Zeitleiste der römisch / karthagischen Beziehungen

2.     Karthago aus Sicht des Poeten Vergil
2.1   Biographie
2.2   Das Verhältnis von Rom zu Karthago in der Aeneis

3.     Karthago aus Sicht des Historikers Livius
3.1   Biographie
3.2   Der Kriegsausbruch bei Livius

4.     Fazit

5.     Glossar
6.     Zeittafel : Hannibal
7.     Quellen
8.     Bildnachweis



1. Die Geschichte Karthagos und die Beziehungen zum römischen Reich

"Ceterum censeo Carthaginem esse delendam!"
(Im übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss!)

Diesen Ausspruch soll der konservative römische Politiker
Cato der Ältere (234 bis 149 v. Chr.) an das Ende jeder seiner Reden gehängt haben, egal ob es sich in diesen direkt um die Beziehungen zu Karthago, oder z.B. den Staatshaushalt handelte.
Um der Frage nachzugehen, wie solch eine große Feindschaft zwischen den beiden Mittelmeermächten entstehen konnte, muss man ihre gemeinsame Geschichte betrachten.
Hierbei ist es von Vorteil zunächst Karthago zubetrachten, um anschließend zu den Punischen Kriegen zu kommen, die schließlich in der Zerstörung der Stadt endeten, die heute ein Vorort der tunesischen Hauptstadt Tunis ist.

Karthago wurde um 800 vor Christus von phönizischen Siedlern, die aus dem heutigen Libanon stammten, gegründet. Die Phönizier waren erfolgreiche Kaufleute und gute Seefahrer, was ihnen ermöglichte im Laufe der Zeit große Reichtümer anzuhäufen.
Sie sollen von ihrer nordafrikanischen Heimat bis nach Westafrika, auf der Höhe des heutigen Kameruns und bis nach Britannien gesegelt sein, um dort Handel zu treiben und neue Rohstoffe zu erschließen.
Da die Kaufleute auf ihren Reisen vor Seeräubern etc. geschützt werden mussten bildeten die Karthager ein starkes Militär- und Marinewesen aus, welches auch für die weitere Expansion des aufstrebenden Stadtstaates sorgte. Außerdem hatte dieser eine gute geografische Lage, da er auf Landseite durch natürliche Hindernisse geschützt war. so dass man sich ganz auf die Verteidigung der Meeresseite konzentrieren konnte. Karthagos Macht war in ganz Nordafrika, Teilen Spaniens und den italienischen Inseln Sizilien und Sardinien vertreten. Es gab aber noch eine weitere Macht, die expansionistische Bestrebungen hatte: das Römische Reich.
Es gab vor dem Ausbruch des 1. Punischen Krieges zwar Bündnisvertrage zwischen den Nationen, welche Karthagos Hegemonie über den Mittelmeerraum sicherten. Ein Zusammenstoß war jedoch auf Dauer unvermeidbar, da die Machte sich in ihren Vormachtsinteressen gegenseitig im Weg standen.
Der Krieg brach 264 vor Christus aus, nachdem es auf dem zur karthagischen Einflusszone gehörenden Sizilien zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Städten Messana (heute Messina) und Syrakus gekommen war und Rom in diese eingegriffen hatte.
Karthago erklärte den Krieg nachdem Rom ein Ultimatum, die Insel zu verlassen verstreichen lassen hatte. Nach mehr als 20 Jahren Krieg, dessen größte und wichtigste Schlachten auf See stattfanden, bot das erschöpfte Karthago 241 vor Christus den Frieden an.
Die Bedingungen waren hart. Die Punier, wie sie von den Römern genannt wurden, mussten Sizilien, Sardinien und viele andere Mittelmeerinseln aufgeben. Außerdem wurden sie zu hohen Reparationszahlungen an Rom gezwungen. Wegen der Niederlage auf den Mittelmeerinseln verstärkte Karthago sein Engagement in Spanien, da die Beutegier der Söldnerarmee gestillt werden musste.

218 vor Christus griff der junge Hannibal mit seinem Heer die mit Rom verbündete, Stadt Sagunt an der Ostküste Spaniens an. Rom schickte eine Gesandtschaft nach Karthago, die Hannibals Auslieferung erwirken sollte. Als der karthagische Senat dies ablehnte, erklärte Rom den Krieg, der 2. Punische Krieg heißen sollte. Um den Römern zuvor zu kommen. marschierte Hannibal in Richtung Italien und überquerte die Alpen.
Er fügte Rom in der Schlacht am Trasimenischen See 217 vor Christus und in der Schlacht von Cannae 216 vor Christus, zwei in seiner Geschichte einzigartige Niederlagen mit vielen Verlusten, darunter 2 Konsuln und etliche Senatoren zu. Doch er verpasste die Gelegenheit nach dem Sieg von Cannae die Stadt Rom anzugreifen. Stattdessen irrte seine Armee durch Italien und ließ sich von der sich regenerierenden römischen Streitmacht zermürben.
Als die Römer die Übermacht gewonnen hatten und auch schon auf nordafrikanisches Territorium vorgedrungen waren, musste Hannibal 203 vor Christus in seine Heimatstadt zurückkehren. Doch auch das half richt viel; Karthago musste 201 vor Christus den vom legendären Feldherren Scipio Africanus diktierten Frieden annehmen.
Die einstige Großmacht hatte nun de facto ihre Souveränität verloren und wurde von den Numidern, einem nordafrikanischen Volksstamm der im 2. Punischen Krieg auf Seiten, der Römer gekämpft hatte, immer weiter bedrängt und durch gegnerische Eroberungen verkleinert.
Als sich Karthago 149 vor Christus dagegen wehrte, was gegen die Friedensbestimmungen mit Rom verstieß, wurde Catos Forderung erfüllt. Die Legionäre zogen in den 3. Punischen Krieg um Karthago zu zerstören. was ihnen 146 vor Christus gelang. Die Einwohner der Stadt wurden entweder getötet oder zu Sklaven gemacht.
Die anfängliche Frage , wie die Feindschaft zwischen Rom und Karthago entstehen konnte, und warum sie so enden musste, wird nach Analyse der Werke Vergils und Livius am Ende dieser Arbeit versucht werden zu beantworten.

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1.1 Zeitleiste der römisch / karthagischen Beziehungen


498 v. Chr. Erster Freundschaftsvertrag mit Karthago.
348 Zweiter Vertrag mit Karthago.
306 Dritter Vertrag mit Karthago.
264-241 Erster Punischer Krieg gegen Karthago. Rom greift erstmals über das italische Festland hinaus und bricht in einem wechselvollen und verlustreichen Abnützungskrieg die Seeherrschaft der Karthager im westlichen Mittelmeer. Eroberung des karthagischen Teils von Sizilien als erster Provinz.
260 Seesieg des Konsuls C. Duilius bei Mylae.
241 Friedensschluss: Karthago verzichtet auf seinen sizilischen Besitz und zahlt eine hohe Kriegsentschädigung. Sizilien (ohne Syrakus) erste römische Provinz.
238-237 Karthago tritt Sardinien und Korsika an Rom ab.
219-201 2. Punischen Krieg. Der karthagische Feldherr Hannibal überquert mit rund 50000 Mann und 37 Kriegselefanten die Alpen und greift Italien an; die Römer erobern Spanien. In einem der schwersten Kriege des Altertums besiegt Rom die Karthager endgültig und wird zur unbestrittenen Hegemonialmacht im westlichen Mittelmeerraum.
217 Konsul C. Flaminius wird in der Schlacht am Trasimenischen See geschlagen.
216 Vernichtende Niederlage des C. Terentius Varro und L. Aemilius Paullus gegen Hannibal bei Cannae.
215-205 Erster Makedonischer Krieg als Folge des Bündnisvertrages zwischen Hannibal un König Philipp V..
212 Die Römer erobern Syrakus.
211 Hannibal vor Rom ("Hannibal ante portas").
209 P. Cornelius Scipio erobert Neukarthago (Karthago Nova) in Spanien.
204 Hannibal siegt bei Kroton in Unteritalien.
201 Nach zahlreichen Siegen über die Römer muss Hannibal Italien räumen. Scipio besiegt Hannibal in der Entscheidungsschlacht von Zama (südwestlich von Karthago).
202 Friedensschluss: Abtretung Spaniens, Auslieferung der Flotte bis auf 10 Schiffe, Kriegsführung nur mit römischer Genehmigung. Tributzahlungen. Rom erringt die Herrschaft über das westliche Mittelmeer.
149-146 Dritter punischer Krieg.
146 v. Chr. Nach dem Sieg im 3. Punischen Krieg machen die Römer unter P. Cornelius Scipio Aemilianus Karthago (im heutigen Tunesien) dem Erdboden gleich: das Land wird zur römischen Provinz Africa.



Eine Zeitleiste zur Geschichte Roms finden Sie
hier.
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2. Karthago aus Sicht des Poeten Vergil

2.1 Biographie

Der römische Schriftsteller Publjus Vergilius Maro lebte von 71 bis 19 vor Christus. Sein Hauptwerk ist die Aeneis, die als das römische Nationalepos gilt. Dieses handelt vom Troer Aeneas, dem Sohn der Göttin Venus, der nach der Zerstörung seiner Heimatstadt nach Italien segeln und dort Rom, die von den Göttern bestimmte Welthauptstadt, gründen soll.

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2.2 Das Verhältnis von Rom zu Karthago in der Aeneis

Um Karthagos Rolle in der Aeneis zu verstehen, muss man sich vergegenwärtigen, dass in diesem Werk alles in den Händen der Götter liegt.So hat Venus bestimmt, dass ihr Sohn Aeneas die Stadt gründet, die einst die Welt beherrschen soll. Der höchste Gott Jupiter und damit der größte Teil der anderen Götter sind dem wohlgesonnen. Nicht jedoch Juno. die mit Venus verfeindet ist und bereits ihre eigenen Pläne für die Weltherrschaft hat. Karthago, die neue Stadt der Königin Dido, die ein ähnliches Schicksal wie Aeneas erlitten hat, soll die Weltmacht sein. Mit diesen zwei Modellen die sich gegenseitig ausschließen, begründet Vergil die Feindschaft zwischen Rom und Karthago.

Am Anfang des 1. Buches schickt Juno Aeneas und seine Begleiter in einen Sturm, damit diese ihren Auftrag nicht erfüllen können. Sie stranden an der Küste Karthagos.
Man könnte erwarten dass
Vergil seinen Helden mitten im Feindesland die größten Gefahren meistern ließe, doch dem ist nicht so. Die Troer werden von den Karthagern gastfreundlich aufgenommen. Der Autor baut Dido zur schönsten und edelsten Gestalt des gesamten Epos neben Aeneas auf. Erst am Ende des 1. Buches tun sich Zweifel an der Gastfreundschaft der Punier, in Form von Gedanken der Venus auf: "quippe domum timet ambiguam Tyriosque1 bilinguis" (Aeneis 1, 661).
Aus Angst um ihren Sohn, wegen eben dieser ,"Doppelzüngigkeit" der Punier, sorgt Venus dafür dass sich Dido in Aeneas verliebt, damit sie ihm nichts antut. Dies ist der Anfang einer Posse, die für Dido tödlich enden wird. Insgesamt wird Karthago jedoch im ersten Buch überraschend positiv dargestellt, so dass Friedrich Klinqner in seinen Abhandlungen über die Aeneis die Vermutung anstellt, "dass der gefährliche Hintergrund des Empfangs in der junonischen Stadt [...] dem Dichter vorgegeben sei, ohne ihn eigens anzuziehen"(Klinger, Friedrich: Virgil S.407).
___________
1 Tyrios = Poenos

Nachdem Aeneas im 2. und 3. Buch auf Wunsch von Dido vom Fall Trojas und seiner Reise erzählt hat, nimmt die Handlung im 4. Buch ihren weiteren Verlauf. Juno versucht nun Didos Verliebtheit für ihre Zwecke zu nutzen. Sie verstärkt diese, um Aeneas zu verführen und diesen so durch Hochzeit an Karthago zu binden. Dido gelingt es, zunächst ihre Leidenschaft zu unterdrücken. Die sogenannte "Pudor" scheint das allerhöchste für sie zu sein: "sed mihi vel tellus optem prius ima dehiscat [..] ante, pudor, quam te violo aut tua iura resolvo" (Aeneis IV, 24-27) "Pudor" bedeutet soviel wie das Ehr- oder Schamgefühl, das die Menschen im Inneren davon abhält jedem ihrer Naturtriebe zu folgen, also gewissermaßen das, was den Menschen vom Tier unterscheidet. Dido, deren erster Mann ermordet worden war, ist hier besonders verpflichtet, da zu Vergils Zeiten es zweifellos zur "Pudor" einer Frau gehörte, dass sie ihrem verstorbenen Ehemann treu blieb. Doch trotz aller Beteuerungen kann Dido der Liebe der Liebe, die die beiden Göttinnen in ihr entfacht haben, nicht standhalten. Sie vereinigt sich in einer Höhle mit Aeneas und sieht das als Eheschließung an, was Vergil jedoch abwertend kommentiert: "nec iam futivom Dido midiatur amorem: coniugium vocat hoc praerexit nomine culpami"(Aeneis IV,171/172). Hier beginnt für den Autor die Schuld und der Untergang Didos und damit auch die Schuld und der Untergang Karthagos. Denn hier beginnt der Konflikt zwischen Rom und Karthago.
Aeneas, der von Dido verblendet und kurz davor war zusammen mit ihr Karthago aufzubauen anstatt seine Pflicht zu tun, wird von Merkur dem Götterboten daran erinnert. Er lässt sofort die Schiffe zum Aufbruch fertig machen. Dido ist damit todgeweiht.

Mit unseren heutigen Ansichten würde man Aeneas für untreu halten und mit Dido sympathisieren. Für Vergil jedoch tut er - wenn auch widerwillig - nur seine übergeordnete Pflicht und leidet darüber hinaus in seinem Inneren mit der tragischen Figur Dido, die zum Spielball der Götter geworden ist.
Dieses Spiel hat Venus nun gewonnen, da sie wusste, dass Jupiter es nicht zulassen würde, dass Aeneas in Karthago bleibt. Bei seiner Abfahrt schwört Dido ihm noch Rache: "tum vos, o Tyrii, stirpem et genus omne futurum exercete odiis cinerique haec mittite nostro munera: nullus amor nec foedera sunto." Mit dieser Aussage Didos erklärt Vergil die punischen Kriege zu vorbestimmten Kriegen. Selbstverständlich war jedoch auch der Sieger vorbestimmt, denn Jupiter hatte ja Rom und nicht
Karthago zum Weltherrscher bestimmt. Dido verbrannte auf ihrem selbstgewählten Scheiterhaufen so wie später die Stadt Karthago verbrennen sollte.

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3. Karthago aus Sicht des Historikers Livius

3.1 Biographie

Der Historiker Livius (59 vor Christus bis 17 nach Christus) schuf mit seinem Werk "Ab urbe condita" (Seit der Gründung der Stadt) über die gesamte Geschichte des Römischen Reiches bis zu seiner Zeit, dass 142 Bücher umfasste, aber nur in Fragmenten erhalten ist, eines der größten und wichtigsten Geschichtswerke der Antike. In den Büchern 21-30 schildert er den 2. Punischen Krieg.

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3.2 Der Kriegsausbruch bei Livius

Livius Berichterstattung über den Kriegsverlauf stimmt im großen und ganzen mit der heutigen Geschichtsforschung überein. Seine Interpretation des Kriegsausbruchs ist jedoch höchst umstritten.
Da er Römer ist, versucht er natürlich die vollständige Schuld am Krieg den Karthagern, dabei insbesondere Hannibal und seinem einflussreichen Clan, den Barkiden, anzulasten. Diese gehörten zu den ältesten und vornehmsten Stämmen des Phönizierstaates.
Hamilkar, der Vater Hannibals, war als einziger punischer Feldherr im Krieg mit den Römern ungeschlagen geblieben und hatte sieh dadurch großes Ansehen erworben. Folglich wurde er auch damit beauftragt die karthagische Macht in Spanien als Ersatz für das verlorengegangene Sizilien, zu stärken und so für neue Reichtümer zu sorgen.
Dies gelang ihm auch mit Hilfe seines Schwiegersohns Hasdrubal mit großem Erfolg; große Teile der iberischen Halbinsel brachten sie unter karthagischen Einfluss. Dadurch entstand jedoch im Süden Europas eine Art Barkidenreieh, in dem Hamilkar und Hasdrubal, solange sie die Reichtümer in die Heimat schickten, weitgehend unabhängig agieren konnten. Dies blieb auch nach dem Tod der beiden und ihrer Beerbung durch Hannibal so.
Jene Sachlage nutzt Livius dazu, den 2. Punischen Krieg als Rachefeldzug einer Familie darzustellen. Er bezeichnet Hamilkar als hasserfüllten Revisionisten, der aufgrund der Verluste von Sizilien und insbesondere Sardinien, das die Römer entgegen den Friedensbestimmungen des 1. Krieges an sich gerissen hatten, immer auf einen neuen Krieg mit Rom hingearbeitet hätte. "[...] si diutius vixisset, Hiamilcare duce Poenos arma ltaliae inlaturos fuisse qui Hannibalis ductu intulerunt."(Livius XXI 2,2) Des weiteren sagt Livius, dass sein Engagement in Spanien nur einem Krieg mit Rom gedient hätte: "[...] ita deinde novem annis in Hispania augendo Punico Imperio gessit ut appareret maius eum quam quod gereret agitare in animo bellum [...]" (Livius XXI 2,2) Was mit dem "bellum naius" gemeint ist dürfte klar sein. Da Vater und Sohn sich normalerweise sehr ähnlich sind, kann die Charakterisierung Hannibals durch Livius natürlich nicht sehr positiv ausfallen.
Besonders interessant ist hierbei der besonders auffällige Unterschied zwischen der Beschreibung von militärisch-körperlichen und moralischen Attributen Hannibals. Dem punischen Feldherren werden unter anderem "Audaciae" "consiliii inter ipsa pericula erat" und "caloris ac frigoris patientia par" zugeschrieben. Alles in allem ist er "Equitum peditumque longe primus". Mit "longe primus" dürfte "der weitaus beste Soldat" gemeint sein. Dem entgegen stehen "inhumana crudelitas" "perfidia plus quam Punica", "nullus deum metus" und "nulla religio" (alles Livius XXI 4,5 - 4,9).
Diese Art der Charakterisierung wählt Livius wohl um die Gefährlichkeit des Gegners deutlich zu machen. Man hat es mit einem äußerst starken, militärisch ebenbürtigen Feind zu tun, der vor nichts zurückschreckt und keine Milde walten lässt.
Man könnte behaupten, dass Livius damit versucht, indirekt die Zerstörung Karthagos, im 3.Punischen Krieg, obwohl es zu dieser Zeit keine Gefahr mehr für Rom war, zu rechtfertigen. Denn seine Beschreibung impliziert, dass Hannibal bei einem Sieg unter keinen Umständen auch nur irgendjemanden verschont hätte. Dies wird auch durch den Schwur des Hannibals verdeutlicht, den Livius im Vergleich zu früheren Autoren radikalisiert. Hannibal soll im Alter von 9 Jahren auf Veranlassung seines Vaters den Eid abgeleistet haben, dass er immer ein "hostis populi romani" (Livius XXI 1,5) sein werde.
Bei früheren Autoren, wie dem griechischen Historiker Polybios, die Livius als Quellen zugrunde lagen, war jedoch immer nur davon die Rede, dass Hannibal geschworen habe, nie ein Freund Roms zu sein. Livius spricht bei Hannibal von "perfidia puls quam Puinca". Dass er "Punica" als beschreibendes Adjektiv für besonders große Ausmaße an "Perfidia" verwendet, zeigt zunächst einmal seine Meinung über das gesamte karthagische Volk, insbesondere jedoch seine besondere Abneigung zu Hannibal, durch die Steigerungsform "plus quam". Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet der Autor auch den Konflikt um den Ebro-Vertrag.
Hasdrubal hatte diesen während seiner 8-jährigen Regentschaft als Feldherr in Spanien mit den Römern ausgehandelt. Unumstritten ist die Tatsache, dass dieser den Ebro als Grenze karthagischer und römischer Einflusszone festlegt. Dass er jedoch die Unabhängigkeit der mit Rom verbündeten Stadt Sagunt, die in der karthagischen Einflusszone lag, garantierte, kommt so nur bei Livius vor. Er betrachtet also die Belagerung und Erstürmung dieser Stadt durch Hannibal als gewollte Provokation des Kriegsausbruchs vom punischen Feldherren: "Ceterum ex quo die dux est declaratus " velut Italia ei provincia decreta beIlumque Romanum mandatum esset, nihil prolatandum ratus ne se quoque [...] Saguntinis inferre bellum statuit."(Livius XXI 5,1).
Dabei wird wiederum deutlich, dass Livius keinen Zweifel daran lässt, dass Hannibal es von Anfang an darauf abgesehen hatte, auf Italien zu marschieren. Es könnte jedoch auch möglich sein, dass er zunächst nur eine Einflusserweiterung in Spanien gewollt hatte. In Livius Werk aber bestreiten auch die Karthager nicht, dass der Ebro-Vertrag den Schutz Sagunts einschließt. Sie zweifeln lediglich an der Rechtskräftigkeit des Kontraktes. Er sei von Hasdrubal ohne die Zustimmung des Senats geschlossen worden und damit ungültig.
Die Römer hätten, als sie Sardinien eroberten, was gegen den Friedensvertrag aus dem 1. Punischen Krieg (Lutatius-Vertrag) verstieß, ähnlich argumentiert. da dieser Friedensvertrag nicht durch das römische Volk abgesegnet worden war. Diese Argumentation kann Livius jedoch leicht entkräften. Man könne die beiden Verträge nicht miteinander vergleichen, da der Lutatius-Vertrag ausdrücklich Absegnung durch das Volk verlangte, was beim Ebro-Vertrag nicht der Fall war: "[...] in Lutati foedere diserte additum esset ita id ratum fore si populus censuisset, in Hasdrubalis foedere nec expectum tale quiquam fuerit [...]" (Livius XXI, 19)
Außerdem sei der Ebro-Vertrag durch die Karthager schon dadurch ausreichend anerkannt worden, dass sie ihn nicht verletzt hatten. Weiterhin muss gesagt werden, Livius die Eroberung Sagunts in den Kapiteln 7-9 und 12-15 seines 21. Buches äußerst detailliert beschreibt, vermutlich um noch einmal die Grausamkeit des Feindes und seine Rücksichtslosigkeit gegenüber Unbeteiligten wie den Saguntinern zu verdeutlichen.
Im 10. Kapitel hält der Karthager Hanno in seinem Senat, während der Beratungen über die Forderung der römischen Gesandtschaft, eine Rede, die dazu aufruft, alle römischen Bedingungen anzunehmen. Obwohl Hanno eine historische Figur ist, ist es höchstwahrscheinlich, dass Livus ihm diese Rede in den Mund gelegt hat, da er bei keinem anderen Historiker auftaucht und die genannte Rede beinah exakt die römische Argumentation wiedergibt.
Hanno prangert in ihr die Kriegstreiberei Hannibals und seiner Familie an und betont, dass die Punier im 1. Krieg, wie auch nun Vertragsbruch begangen hätten. Außerdem prophezeit er, dass die Niederlage wegen des Unrechts, das die Karthager begangen haben schon zu ihren Ungunsten entschieden ist: "Sagunti Ruinae - falsus utinam vates sim - nostris capitibus incident" (Livius XXI, 10).
Ein wenig klingt Hanno - wie durch Vergil inspiriert - davon überzeugt, dass die Götter Rom die Weltherrschaft zugedacht haben. Es könnte sein, dass Livius, der sich als Historiker auf Fakten beziehen muss, Hanno auf diese Weise zum Sprachrohr seiner geistigen Überzeugung macht.

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4. Fazit

Die Frage nach der Abneigung Roms gegen
Karthago ist eigentlich leicht zu erklären: Karthago war die einzige Macht, die es geschafft hat Rom in seiner Existenz zu bedrohen. Im 2. Punischen Krieg trieb ein karthagisches Heer immerhin länger als 10 Jahre sein Unwesen im römischen Kernland Italien.
Dass ein Volk nicht vergisst, wer Gräueltaten in seinem Land verübt, ist logisch. Da die Römer es nicht gewohnt waren, selbst unter Kriegen zu leiden, leuchtet es ebenfalls ein, dass die Zerstörung der Stadt gefordert wurde, die es gewagt hatte das Römische Reich herauszufordern.
Es gibt jedoch zwei gänzlich unterschiedliche Betrachtungsweisen des Konflikts in der römischen Literatur. Bei Vergil sind die Karthager Opfer eines Spiels von Göttern, bei dem sie nur verlieren können, da der höchste Gott nicht auf ihrer Seite steht. Die in Rom verbreiteten Vorurteile über die moralischen Verfehlungen sind hier, obwohl sie selbstverständlich vorhanden sind, nicht so ausgeprägt.
Dafür wertet Vergil aber die Macht der Karthager ab. In seinem Epos steht Rom selbst vor seiner Entstehung über Karthago, obwohl es historisch gesehen mehr als 100 Jahre später gegründet wurde. Außerdem war bis zum 1. Punischen Krieg ganz klar Karthago und nicht Rom die Stadt, die große Teile der damals zivilisierten Welt beherrschte. Des weiteren sind die Kriege zwischen den Mittelmeermächten für Vergil schon vorher entschieden, da die Götter Rom als Weltherrscher auserkoren haben. Livius sieht das als Historiker ganz anders. Er betont in seiner Beschreibung des 2. Punischen Krieges, wie nah Rom dem Untergang war, hätte es nicht große Taktiker wie Fabius Maximus und Scipio Africanus gegeben.
Er hingegen bestätigt fast alle Vorurteile die es über Karthago gab. Besonders bezeichnend ist hierbei das Sprichwort der "Fides Punica", welches Livius zwar nicht verwendet, das aber trotzdem nicht unerwähnt bleiben sollte. Wörtlich übersetzt bedeutet es "Punische Treue". Es ist jedoch ironisch gemeint und soll das genaue Gegenteil bedeuten. Livius Meinung über die punische Moral drückt sich besonders der Charakterisierung Hannibals aus, welche nicht schlechter ausfallen könnte.
Meiner Meinung nach, kann man das möglicherweise richtige Bild über Karthago erhalten, wenn man beide Beschreibungsmodelle miteinander verbindet. Karthago war genau wie Rom, ein mächtiger Stadtstaat, der, wenn es um die eigenen Interessen ging durchaus nicht davor zurückschreckte, moralisch falsche Handlungen zu begehen und im Konflikt mit Rom auch nicht vorher als der sichere Verlierer feststand.

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5. Glossar

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Cannae
Stadt in der Landschaft Apulien am Fluss Aufidus
Ort einer der verheerendsten Niederlagen der Römer, die ihnen Hannibal 216 v.Chr. bereitete.
Seitdem wurde Cannae zum Begriff einer vernichtenden Umfassungs- (Kessel) Schlacht.
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Cato der Ältere
M. Porcius Censoius (234-149 v.Chr.)
Kämpfte unter Scipio und Fabius Maximus
Später Konsul und Zensor
Galt als strenger Stoiker, der ein sehr einfaches Leben führte
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Fabius Maximus
Feldherr und Konsul (gestorben 203 v.Chr.)
Führte in Italien einen erbitterten Abwehrkrieg gegen Hannibal (2. punischer Krieg),
später ein Gegner Scipios Offensivpläne (Angriff Karthagos)
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Hamilkar Barkas (Barkas = phöniz. Blitz)
Kathagischer Feldherr (gestorben 229 v.Chr.)
Vater Hannibals, führte während des 1. punischen Kriegs die Verteidigung Siziliens
Unterwarf um 223 v. Chr. den größten Teil Spaniens
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Hannibal
Karthagischer Feldherr und Staatsmann (247-183 v.Chr.)
Zog mit einer Streitmacht und Kriegselefanten von Spanien aus über die Alpen gegen Rom,
verwüstete Italien und konnte nur gestoppt werden als Scipio Karthago angriff und Hannibal zurückgerufen wurde
Geschlagen in der Schlacht von Zama (Nordafrika) durch Scipio
Eine Zeittafel zu Hannibal finden Sie
hier.
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Hasdrubal
1. Karthagischer Feldherr (gestorben 221 v. Chr.)
Oberbefehlshaber in Spanien, gründete Karthago Nova (heute Cartagena)
Schloss den Ebro- Vertrag mit Rom
2. Karthagischer Feldherr (gestorben 207 v.Chr.), Bruder Hannibals
befehligte ab 218 v.Chr. die karthagischen Truppen in Spanien
starb bei dem Versuch seinem Bruder in Italien mit seinen Truppen zur Hilfe zu kommen
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Karthago
Stadt in Nordafrika (heute ein Vorort von Tunis, Hauptstadt von Tunesien)
Neben Rom bedeutendste (See-) Macht im Mittelmeerraum und Feind Roms
Rom führte 3 bedeutende, die sog. Punischen, Kriege (264-46 v.Chr.)
gegen Karthago die mit der Zerstörung Karthagos Ende des 3. pun. Kriegs endeten,
danach war Rom alleinige "Welt"macht.
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Polybios
Griechischer Historiker und Staatstheoretiker (200-120 v.Chr.)
Verfasste eine "Weltgeschichte" in 40 Büchern
Sympathisant der Römer, später Freund Scipios
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Phoenizier (Phöniker / gr. Purpurhändler)
Handels- und Seefahrervolk an der Küste Syriens und Libanons
Blütezeit um 1200 bis 900 v. Chr.
Lange Zeit die Seemacht im Mittelmeerraum
Gründeten die Kolonien Karthago die auch nach dem Verfall des Stammlandes
bis zur Zerstörung durch die Römer mächtig und einflussreich war.
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Scipio Africanus
Bedeutender Heerführer und Staatsmann, Konsul (235-183 v.Chr.),
Bezwinger Hannibals und Karthagos in der Schlacht von Zama (Stadt nahe Kathagos);
galt in Rom schon zu Lebzeiten als Held und "Retter Roms"
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Trasimenischer See
See im östlichen Etrurien, an dem Hannibal 217 v. Chr. das römische Herr unter C. Flaminius schlug.
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6. Zeittafel : Hannibal


DATUM BESCHREIBUNG
247 v. Chr. Hannibal wird als Sohn des Feldherrn Hamilkar Barkas in Karthago geboren.
237 v. Chr. Hamilkar Barkas nimmt Hannibal mit auf seinen Eroberungszug nach Spanien.
228-221
v. Chr.
Nach Hamilkars Tod dient Hannibal unter dem Oberbefehl seines Schwagers Hasdrubal in Spanien.
221 v. Chr. Nach Hasdrubals Tod wird Hannibal von den karthagischen Truppen in Spanien
zum Oberbefehlshaber gewählt.
221-219
v. Chr.
Hannibal bringt das Gebiet zwischen Tajo und Ebro unter karthagische Herrschaft und erobert
das unter römischem Schutz stehende Sagunt.
218 v. Chr. Unter Verletzung eines von Hasdrubal mit Rom geschlossenen Vertrages überschreitet Hannibal den Ebro
nach Norden und provoziert damit die Kriegserklärung Roms an Karthago (2. Punischer Krieg).
Hannibal überquert mit seinem Heer inklusive einiger Kriegselefanten die Pyrenäen, zieht durch Südfrankreich, überquert die Alpen und ist im Oktober in der Poebene. Am Ticino und an der Trebbia schlägt er römische Heere und zieht weiter über den Apennin.
217 v. Chr. Hannibal schlägt die vier Legionen des Konsuls Gaius Flaminius vernichtend.
216 v. Chr. Bei Cannae vernichtet Hannibal acht römische Legionen. Verschiedene süditalienische Städte, u. a. Capua, schließen sich Hannibal an.
215 v. Chr. Hannibal gewinnt König Philipp V. von Makedonien als Bundesgenossen.
214 v. Chr. Syrakus schließt sich Hannibal an.
213 v. Chr. Hannibal erobert Tarent.
212 v. Chr. Die Römer erobern Syrakus. Hannibal, der kaum Unterstützung aus Karthago erhält, ist zunehmend in die Defensive gedrängt.
211 v. Chr. Hannibal unternimmt einen erfolglosen Vorstoß gegen Rom; die Römer nehmen Capua ein.
207 v. Chr. Die Vereinigung der Heere Hannibals und seines Bruders Hasdrubal scheitert; Hannibal zieht sich nach Kalabrien zurück, wo er sich bis 203 v. Chr. behaupten kann.
203 v. Chr. Hannibal wird nach Karthago zurückbeordert, um die Stadt gegen die Römer zu verteidigen.
202 v. Chr. Hannibal wird bei Zama in Nordafrika von Scipio dem Älteren entscheidend geschlagen.
201 v. Chr. Friedensschluss zwischen Rom und Karthago.
196 v. Chr. Hannibal wird in Karthago zum Oberbeamten gewählt, als der er umfassende Reformen einleitet.
195 v. Chr. Von seinen Gegnern bei den Römern verleumdet, flieht Hannibal zu König Antiochos III. von Syrien, für den er Krieg gegen Rom führt.
190 v. Chr. Nach einer Niederlage gegen Rom flieht Hannibal zu König Prusias I. von Bithynien.
184 v. Chr. Im Dienste Prusias' besiegt Hannibal die pergamenische Flotte.
183 v. Chr. Als Rom von Prusias seine Auslieferung fordert, begeht Hannibal in Libyssa (Bithynien) Selbstmord.

Eine Zeitleiste zur Geschichte Roms finden Sie
hier.

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7. Quellen


Titus Livius / Dr. Josef Feix, Hannibal Ante Portas, Goldmann Verlag, München 1960

Vergil / Johannes Götte, Aeneis, Artemis Verlag, München /Zürich, 1955

Friedrich Klinger, Vergil, Artemis Verlag, München /Zürich o.J.

Ingemar König, Kleine Römische Geschichte , Reclam, Ditzingen 2001, ISBN: 3150104823

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8. Bildnachweis

Titelbild:    Microsoft, Encarta Enzyklopädie Plus, 2000

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Orginal Schriftquelle :

Facharbeit in der Jahrgangsstufe 12 "Rom und Karthago - Die Geschichte der drei Punischen Kriege bei Vergil und Livius"

von Yahya Abu-Yahya
vorgelegt bei Eva Schönemann (Latein)
an der Integrierten Gesamtschule Bonn-Beuel im Frühjahr 2004

Erweitert ( 1.1 / 5. / 6. ) von Ingo Henneberg
Digitale Bearbeitung, Webdesign, Layout und Redaktion : Ingo Henneberg

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