Die Schlacht von Cannae


Am zweiten August 216 vor Christus, im Zweiten Punischen Krieg, trafen bei der apulischen Stadt Cannae am Fluß Aufidus (heute Ofanto) das karthagische Heer unter Hannibal und das zahlenmäßig weit überlegene römische Heer unter der Führung von Lucius Aemilius Paullus und Gaius Terentius Varro zusammen. Hannibal bereitete den Römern eine vernichtende Niederlage, die in der Geschichtsschreibung von Polybios an (der die früheste Quelle dazu ist) bis zu Livius massive Probleme im römischen Selbstverständnis als militärisch und politisch führender Nation verursachte.


Inhalt

1.    
Politische und militärische Hintergründe, die zur Schlacht führten
2.     Ausgangssituation und Analyse der Heeresstruktur
2.1   Struktur des karthagischen Heeres
2.2   Struktur des römischen Heeres
3.     Schlachtverlauf
4.     Gründe für die Niederlage, Quellenprobleme und römische Vergangenheitsbewältigung
5.     Was dann geschah - ein Ausblick
6.     Der Tod Hannibals
7.     Kurzer Ausblick auf den Dritten Punischen Krieg und den Fall Karthagos

8.     Quellen





1.     Politische und militärische Hintergründe, die zur Schlacht führten

Die Punischen Kriege

Als Punische Kriege bezeichnen sich insgesamt drei Kriege zwischen Rom und den Karthagern (von den Römern als Poeni bezeichnet, was sich vom Namen Phönizier oder Phöniker ableitete, die vermutlich im neunten Jahrhundert v. Chr. die Stadt Karthago gegründet hatten) im dritten und zweiten Jahrhundert vor Christus.

Hauptschauplatz des Ersten Punischen Krieges war Sizilien, wo der Konflikt zwischen Rom als führender Macht der italischen Halbinsel und Karthago als dominierende Seemacht im westlichen Mittelmeer, Sizilien und Spanien, im Wesentlichen ausgetragen wurde.

Im Jahr 265 v. Chr richteten die Marmertiner einen Hilferuf an Rom und Karthago; die Mamertiner waren ehemalige syrakusische Söldner, die sich in Messina niedergelassen hatten und von dort aus den Osten Siziliens bedrohten, nachdem sie von Hieron II. von Syrakus in einer entscheidenden Schlacht besiegt worden waren, und mit einem zweiten Kriegszug des Herrschers der mächtigen sizilischen Stadt zu rechnen hatten.
Karthago besetzte Messina, was zum Ausgangspunkt des Konflikts mit Rom wurde, da die Römer die seefahrerisch ideal gelegene und damit für Handel und Verkehr ausgesprochen wichtige Stadt nicht ihren Konkurrenten überlassen wollten. Römische Truppen drängten die Karthager, unter anderem mit syrakusischer Hilfe, in den äußersten Westen Siziliens zurück (Lilybaion oder Lilybaeum und Drepana), und durch den Bau einer 120 Schiffe umfassenden Flotte - die Landmacht Rom hatte ursprünglich weder Ausstattung noch entsprechende Kenntnisse, Seekrieg zu führen - wurde es möglich, dass Karthago auch in mehreren Seeschlachten zu besiegen, 260 v. Chr. bei Mylai vor der Nordküste Siziliens, 256 v. Chr. bei Eknomos an der Südküste der Insel und 255 v. Chr. bei Kap Bon am Ostende des Golf von Tunis, wobei Lilybaeum der größte Stützpunkt Karthagos blieb.
256 v. erreichte der Konsul Marcus Atilius Regulus in Nordafrika zunächst einige Erfolge gegen Karthago, geriet dann aber nach einer vernichtenden Niederlage mit Angehörigen seines Heeres in Gefangenschaft; das gewandelte Kriegsglück ließ die Römer auch auf See mehrere Rückschläge z.B. durch Stürme und die Seeschlacht von Drepana erleiden.
Aber im Jahr 241 v. Chr. erfolgte bei den Ägadischen Inseln der entscheidende Sieg Roms über Karthago, das sich aus Sizilien zurückziehen (das daraufhin, abgesehen von Syrakus, die Stadt blieb selbstständiger Bündnisgenosse, römische Provinz wurde) und akzeptieren mußte, daß Rom auch Korsika und Sardinien, die beide unter karthagischer Herrschaft gewesen waren, besetzten und zu Provinzen machten.
Daraufhin konzentrierte sich Karthagos Interesse auf die iberische Halbinsel, wo Hamilkar Barkas und dann sein Schwiegersohn Hasdrubal ein großes Gebiet eroberten, unter anderem, um die Voraussetzungen für einen weiteren Krieg gegen Rom zu gewinnen, ua. die Silberminen in der Sierra Morena und generell einen neuen Markt als Absatzgebiet bzw. mit neuen Ressourcen.

Die Grenze zwischen dem römischen und dem karthagischen Einflußgebiet wurde im sogenannten Ebrovertrag festgelegt, den Hannibal, der Sohn Hamilkar Barkas, der nach dem Tod seines Schwagers auf dessen riesiges Heer zurückgreifen konnte, in einem Expansionsfeldzug vermutlich brach, indem er die römisch beeinflußte Stadt Sagunt belagerte und schließlich im Jahr 218 v. Chr. eroberte.

Dieser Angriff auf Sagunt führte zu einer Kriegserklärung Roms an Karthago, was den Beginn des Zweiten Punischen Krieges bedeutet.

Dominierende Figur auf karthagischer Seite im diesem zweiten Krieg zwischen Karthago und Rom war ohne Zweifel Hannibal (247-183 v. Chr.), der Sohn Hamilkar Barkas, der mit seinem Vater, der zu diesem Zeitpunkt die Truppen in Hispania kommandierte, schon 237 nach Spanien mitgenommen und so von klein auf mit militärischen Gegebenheiten vertraut gemacht wurde (vgl. dazu den - eher legendenhaften - Schwur, die Römer auf ewig zu hassen, den Hannibal seinem Vater angeblich geleistet haben soll). Nach dem Tod seines Schwagers Hasdrubal übernahm Hannibal das Kommando über das Heer in Spanien, und überschritt im Jahr 218 v. Chr. den Ebro, womit er römischen Angriffsplänen auf Spanien und karthagisches Gebiet in Nordafrika zuvor kam. Er verfügte über ein Heer von angeblich 8 000 Reitern, 38 000 Mann an Fußsoldaten und 37 Kriegselephanten, wobei er während seines Zugs bis in die Poebene immer wieder Söldner aus besiegten oder verbündeten Völkerschaften ausheben konnte.
Vollkommen überraschend zog Hannibal durch Südgallien und dann über die Alpen, wobei bei der Alpenüberquerung einige karthagische Verluste festzumachen sind (Elephanten!), und erreichte die Poebene im Oktober 218 v. Chr., wo er sich u.a. mit den Insubrern verbündete und neue Truppen aushob.
Es folgten römische Niederlagen z.B. noch im selben Jahr am Ticinus (heute Ticino), im Winter selben Jahres bei Trebia, 217 v. Chr. am Trasimenischen See und schlußendlich 216 v. Chr. in Cannae.

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2.     Ausgangssituation und Analyse der Heeresstruktur

Cannae und die Umgebung Anfang August 216 v. Chr.


Cannae liegt im Südosten Italiens, in der Landschaft Apulien (antiker Name) bzw. Puglia (rezente Bezeichnung), zwischen dem Golf von Tarent (Ionisches Meer) und dem Adriatischen Meer.
Die antike Ortschaft lag am Fluß Aufidus/Ofanto, der in die Adria mündet, auf der Skizze mit B bezeichnet.

Hannibal bewegte sich nach der Schlacht vom Trasimenischen See recht unbehelligt in Italien, ua durch Kampanien und Picenum. Er versuchte, Roms Bündnissystem zu sprengen, indem er mit römischen Bundesgenossen ausgesprochen milde verfuhr (z.B. ließ er sie nach der Einnahme ihrer Städte frei), um Roms Machtbasis zu untergraben. Rom reagierte darauf mit der Strategie des Feldherrn und dictator Quintus Fabius Maximus Verrucosus, der den Beinamen Cunctator, der Zauderer, bekam, da er eine Konfrontation mit den karthagischen Hauptstreitkräften in der offenen Feldschlacht vermied und ebenfalls durch Italien zog, um die Brüche im Verhältnis der Bundesgenossen zu Rom zu kitten. Er errang einige kleinere militärische Erfolge und gewann somit Zeit für neue römische Truppenaushebungen, die durch die karthagischen Erfolge notwendig geworden waren. Die Defensivstrategie des Fabius Maximus Cunctator wurde nach der Schlacht von Cannae als allgemeingültige Vorgehensweise von Römer übernommen.

Hannibal hatte seine Truppen in die fruchtbare Ebene Apuliens geführt, wo sich die Karthager vor allem durch Plünderungen versorgten, was die Römer endgültig in Zugzwang brachte.

Schlachtdiagramm

Die Römer hatten drei Tage vor der Schlacht ihr Lager (A) westlich des Flusses Aufidus errichtet, allerdings lagerte ein Drittel der römischen Truppen auf der Ostseite des Aufidus. Das hatte den Grund, dass sie sowohl Hannibal, dessen Lager (C) ebenfalls östlich des Aufidus lag, als auch den Übergang über den Fluß kontrollieren wollten. Allerdings verlegte Hannibal sein Lager dann ebenfalls auf das Westufer des Flusses.
Nach einem Tag ohne militärische Aktionen versuchte Hannibal, die Römer zur Schlacht herauszufordern, indem er seine Truppen in Position brachte; die Römer nahmen die Schlacht aber erst an, als die karthagische Reiterei (konkret die numidischen Reiter) den Römern die Wasserversorgung abschnitt.

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2.1     Struktur des karthagischen Heeres

Hannibals Heer war multinational, er hatte Streitkräfte aus libyscher, numidischer, phönizischer, iberischer, balearischer, keltischer, ligurischer, italischer und griechischer Herkunft zur Verfügung. Zahlenmäßig war er den Römern klar unterlegen, er befehligte den Quellen zufolge 40 000 Mann Infanterie und 10 000 Mann an Reitertruppen.
Allerdings war Hannibals Heer sehr viel feiner gegliedert als das römische, die jeweiligen Nationalitäten kämpften in ihren vertrauten Waffengattungen und in ihren eigenen Befehlsstrukturen, was eine flexible, hochbewegliche Gesamtstruktur des karthagischen Heeres bedingte, die den Römern schlußendlich zum Verhängnis werden sollte.
Dazu kam der psychologische Vorteil, die römischen Truppen bereits dreimal in Italien, also im Kerngebiet des römischen Imperiums, geschlagen zu haben, in den Schlachten am Ticinus, an der Trebia und am Trasimenischen See (drei große Schlachten mit schweren römischen Verlusten, die nicht zu vergleichen waren mit dem kleinen Scharmützel, das die römischen Truppen einige Tage vor der Schlacht von Cannae gegen die Karthager führten und gewannen).

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2.2     Struktur des römischen Heeres

Das Heer, das Rom für die Schlacht bei Cannae aufgeboten hatte, war das bisher größte in der römischen Geschichte. Man hatte in Italien durch neue Truppenaushebungen ein Heer von der doppelten Größe als bisher vorhanden aufgestellt, die neuen Truppenteile exerzierten mit den alten Legionen, um eine möglichst homogene Einheit zu erreichen. Es umfaßte 80 000 Fußsoldaten, die etwa zu gleichen Teilen römische Bürger und italische Bundesgenossen waren, sowie 6000 Reiter, bei denen das Verhältnis von einem Drittel römische Bürger und zwei Drittel Bundesgenossen stand. Damit war das römische Heer dem karthagischen zahlenmäßig weit überlegen, aber auch viel weniger flexibel. Demzufolge war die römische Strategie auf "Massenwirkung" aufgebaut, man plante, den Feind einfach zu überrennen. Die Soldaten leisteten diesbezüglich sogar neue Eide, die sie auch im Falle, dass eine Flucht das Leben vieler Soldaten retten würde, an das Schlachtfeld binden würde.

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3.     Schlachtverlauf

Nachdem Hannibals numidische Reitereinheiten den Römern die Wasserzufuhr abgeschnitten hatten, drängten die römischen Soldaten zum Kampf, nachdem sie Hannibals erste Herausforderung nicht angenommen hatten. Generell wurden die römischen Truppen von zwei Konsuln geführt, die der Senat im Frühjahr 216 v. Chr. beim Beschluß des Feldzugsplanes, der zu der - wie es eigentlich geplant war - entscheidenden Schlacht führen sollte, ernannt hatte, und von denen zielorientiertes, gemeinsames Handeln zu erwarten stand. Die beiden Konsuln hießen Lucius Aemilius Paullus und Caius Terentius Varro - am Tag der Schlacht hatte Varro den Oberbefehl über die gesamten römischen Streitkräfte, der Oberbefehl wechselte täglich.

Seine Schlachtordnung am zweiten August 216 vor Christus - dieses Datum ist jedenfalls im alten römischen Kalender faßbar, welchem Datum das im julianischen Kalender entspricht, ist umstritten - präsentierte sich folgendenermaßen:

In der Früh rückten die Truppen aus beiden Lagern (westlich und östlich des Aufidus) aus, wobei die Soldaten aus dem größeren Lager (auf der Westseite) den Fluß überquerten und zu dem Drittel der Streitkräfte stießen, die auf der Ostseite gelagert hatten. Die Aufstellung des Heeres erfolgte mit der Front in südliche Richtung, auf die nachgerade "klassische" römische Art. Die Flügel bildeten Reitereinheiten, rechts der römischen Reiterei, die Lucius Aemilius Paullus befehligte, links die der Bundesgenossen, von Varro selbst kommandiert. Zentral war - typisch für die Kampfweise der römischen Legionen - das Fußvolk, das in Blockform aufgestellt war, allerdings standen die Soldaten dichter als sonst und waren ungewöhnlich tief gestaffelt.

Hannibal dagegen reagierte mit seiner Schlachtordnung auf diese Aufstellung, er stellte seine iberischen und keltischen Reiter dem rechten römischen Flügel entgegen, den linken Flügel bildeten die numidischen Reiter. Die beiden äußeren Flügel wurden von Hasdrubal bzw. Hanno befehligt. Die Mitte bildeten die schwerbewaffneten Libyer, die von den Iberern und Kelten geteilt wurden, diesen Truppenteil kommandierte Hannibal zusammen mit seinem Bruder Mago persönlich. Der mittlere Teil stand nicht in gerader Linie, die mittleren Abteilungen waren nach vorne gerückt; diese Formation bezeichnet das Schlagwort vom "Halbmond von Cannae".

Der Geschoßhagel der Leichtbewaffneten bedeutete den Beginn der Schlacht, aber die eigentlichen Kämpfe begannen mit dem Zusammenstoß der keltischen und iberischen Reiter Hannibals mit dem Flügel der römischen Reiterei. Die Karthager bedienten sich einer ungewöhnlichen Kampfweise - die ihnen später von den römischen Politikern, die nach den Ursachen für die Niederlage bei Cannae suchte, als barbarisch angekreidet wurde - , sie rissen die Römer von den Pferden und vernichteten die zahlenmäßig viel geringeren Truppen im Kampf Mann gegen Mann am Boden. Das war sowohl durch den engen Raum zwischen Fluß und Reiterei bedingt, der die üblichen Wendemanöver nicht zuließ, als auch in Hannibals Strategie mit Absicht angelegt.

Nach dem Zusammenstoß der Reitereien kam es zur Konfrontation der Infanterieeinheiten, die Hannibal zu seinem wirkungsvollsten Manöver machte. Die nach vorne versetzten Einheiten hielten dem römischen Ansturm einige Zeit stand, wichen dann aber in scheinbarer Flucht zurück, woraufhin die Römer in einen Vorstoß gingen; dabei erwies sich die dichte und tiefgestaffelte Aufstellung als problematisch, weil sich schon in diesem Stadium der Schlacht die römischen Soldaten sich gegenseitig bedrängten. Diese Phase war die verlustreichste für die Karthager, etwa zwei Drittel aller Verluste konzentrierten sich hier, aber Hannibals Plan ging auf. Die römische Front war längst nicht mehr gerade und die schwerbewaffneten Libyer schwenkten links und rechts ein, um die römischen Flanken zu attackieren - die römischen Haupttruppen waren eingekesselt. Die Vorwärtsbewegung des römischen Heeres wurde gestoppt, die römische Schlachtordnung brach zusammen und auch der Reiterbefehlshaber Paullus, der die Vernichtung seiner Einheiten überlebt hatte, konnte im Nahkampf im Kessel nichts mehr retten.

Die Bundesgenossenreiterei lag inzwischen noch im Kampf mit den karthagischen Reitertruppen, die von Hasdrubal befehligt wurden, aber als die karthagischen Reiter des anderen Flügels ebenfalls in den Angriff auf die römische Kavallerie übergehen wollten, flohen sie, verfolgt von den numidischen Reitereinheiten. Hasdrubal seinerseits wandte sich mit seinen Reitern im Rücken der Legionen gegen die Römer, wodurch der Kessel noch verstärkt wurde. Die numidische Reiterei wandte sich, nachdem sie die flüchtigen Bundesgenossen besiegt hatten, gegen die wenigen Flüchtenden, die aus der karthagischen Umklammerung entkamen.
Auf diese Art und Weise wurde das römische Heer vernichtet, der Konsul Lucius Aemilius Paullus fand in der Schlacht den Tod, sein Kollege Caius Terentius Varro überlebte.

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4.     Gründe für die Niederlage, Quellenprobleme und römische Vergangenheitsbewältigung

Naturgemäß brachte die vollkommene Niederlage der Römer bei Cannae die römischen Politiker und Geschichtsschreiber in die prekäre Lage, sich nach den Gründen für das Versagen der Konsuln und die hohen Verluste zu fragen. Es gab grundsätzlich zwei Ansatzpunkte in diesen Erklärungen, die sich sowohl auf die eigenen Feldherrn, als auch auf Hannibal bezogen.

Speziell der überlebende Feldherr Terentius Varro wurde für die Niederlage verantwortlich gemacht, wohingegen der gefallene Lucius Aemilius Paullus sofort nach der Schlacht zum Helden stilisiert wurde, was sich in der Geschichtsschreibung niederschlug; zumal Varro nicht an Selbstmord dachte, wie es der Tradition nach von geschlagenen Feldherrn wenn nicht erwartet, doch zumindest als einzige Möglichkeit, das Gesicht nach einer Niederlage zu wahren, empfunden wurde. Angeblich sei die römische Niederlage Schuld des Oberbefehlshaber Varro, der in seiner militärischen Unerfahrenheit die Front nach Süden ausgerichtet hat, wodurch die Truppen von der Sonne geblendet wurden. Allerdings scheint er keine andere Wahl gehabt zu haben, was die geographischen Umstände nahelegen, und ob die Sonne allein eine Schlacht entscheiden kann, ist ebenfalls zu bezweifeln.

Hannibal dagegen wurde "typisch barbarisches" Vorgehen vorgeworfen, einmal von den Reitermanövern, die nicht den üblichen Taktiken entsprachen, ganz abgesehen; man warf ihm vor, er hätte den Römern das Trinkwasser vergiftet, indem er die Leichen Gefallener flußaufwärts in den Aufidus werfen ließ, oder er hätte den sandigen Boden am Schlachtfeld extra umpflügen lassen, um - ähnlich wie bei der Alexanderschlacht in Gaugamela - extra Staub zu erzeugen, der den Römern (den Karthagern etwa nicht?) die Sicht nehmen sollte.
Zudem warf man ihm vor, die libyschen Truppen, die entscheidend waren, hätten Waffen benutzt, die in der Schlacht am Trasimenischen See erbeutet worden wären, und er hätte eine numidische Einheit mit Absicht zu den Römern überlaufen lassen, damit sie den Römern in der Schlacht in den Rücken fallen konnten.
Sein Vorgehen im Kampf gegen die römische Reiterei wurde nicht nur als "regelwidrig" empfunden, man versuchte auch, Hannibals strategisches Verdienst zu mindern, indem man dem Manöver, das die römische Reiterei zum Bodenkampf gezwungen hatte, als Mißverständnis auf römischer Seite bezeichnete - Paullus sei abgeworfen worden, sein Gefolge wäre abgestiegen, um ihn zu schützen, und der Rest der Reiterei hätte das als Befehl zum Bodenkampf gedeutet.

Nichts von alldem liefert eine wirklich treffende Erklärung für die römische Niederlage, da diese Argumente geeignet waren, die Schuld am Debakel von Cannae von den Römern abzuwälzen, eine Schuld, die allerdings sehr wohl bei den Römern selbst lag.
Sie verließen sich auf die Massenwirkung ihrer riesigen Anzahl von Soldaten, Hannibal war faktisch gezwungen, die Eigenschaften seiner zahlenmäßig viel geringeren Truppe auszunützen, ihre noch höhere Beweglichkeit, als es den Legionen zu eigen war, und die feine Gliederung, die sie den römischen Streitkräften voraus hatten.
Dabei war die große Stärke der römischen Legionen, die relative Beweglichkeit, durch die Schlachtordnung in Cannae von vornherein blockiert. Es war den römischen Offizieren nicht möglich, die zum Teil ungeübten, frisch ausgehobenen und als Milizheer (das im Kriegsfall jedes Jahr neu einberufen wurde, und hauptsächlich aus Bauern bestand) agierenden, und somit recht disziplinlosen Soldaten davon abzuhalten, in die karthagische Umklammerung vorzustoßen und somit in die Falle zu gehen, wohingegen Hannibals Truppen ausgesprochen diszipliniert, aufeinander eingespielt und ähnlich wie ein "Berufsheer" erfahren und schnell in der Reaktion waren.
Zudem war die römische Bewaffnung nicht besonders hochqualitativ, sie verfügten z.B. im Gegensatz zu den karthagischen Truppen nicht über Schwerter, die man sowohl als Hieb- als auch als Stichwaffen einsetzen konnte, ein deutlicher Nachteil (den die Römer später korrigierten, indem sie die Waffentechnologie übernahmen) - und, am gravierendsten, die Oberbefehlshaber Lucius Aemilius Paullus und Caius Terentius Varro waren keine Militärs, wohingegen Hannibal militärisch gebildet, hochkompetent und erfahren war.
Somit läßt sich festhalten, dass eine Verkettung verschiedener Faktoren, die von "Basisproblemen" der römischen Heeresstruktur bis zu persönlicher Schwäche der Oberbefehlshaber reichen, für diese - und nicht nur diese - katastrophale Niederlage Roms verantwortlich war.

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5.     Was dann geschah - ein Ausblick

Unmittelbare Geschehnisse nach der Schlacht von Cannae und das Ende des Zweiten Punischen Krieges


Nach der Schlacht von Cannae benutzte Rom im großen Stil die Hinhaltetaktik des Flavius Maximus Cunctator, auch die verheerende Niederlage am Aufidus konnte die Macht der Römer nicht brechen. Durch das Vermeiden großer Zusammenstöße - die auch von römischer Seite kaum möglich gewesen wären - verringerten sich nach und nach Hannibals Ressourcen; so war er zum Beispiel außerstande, längere Belagerungen durchzuführen. In dieser Situation versuchte Hannibal ohne Erfolg - dem zwar einige wichtige mittelitalische Städte zugefallen waren, wie Syrakus, Capua und Tarent, der aber immer noch Roms Kräfte erschöpfen hatte können - Rom durch ein Bündnis mit dem Makedonenkönig Philipp dem V in einen Krieg gegen Makedonien zu verwickeln.
Allerdings hielten die Römer ihre makedonischen Gegner vor allem durch die Hilfe griechischer Bündnispartner und Aktionen der Flotte unter Kontrolle, waren also nicht gezwungen, ihre Konzentration auf Hannibal aufzugeben, und im Jahr 205 kam zum Schluß des Sonderfriedens von Phoinike, ohne, dass Philipp überhaupt Italien angegriffen hätte.
Im Jahr 212 v. Chr. wendete sich das Kriegsglück, 212 v. Chr. eroberte Rom Syrakus, im Jahr 211 v. Chr. Capua und im Jahr 209 v. Chr. Tarent zurück. Im Jahr 210 ging Publius Cornelius Scipio (Africanus maior) nach Spanien, wo er innerhalb der nächsten vier Jahre das punisch beherrschte Gebiet zurückeroberte, 209 fiel die bedeutendste Stadt Cartago Nova (heute Cartagena), und Scipio verdrängte Hannibals Bruder Hasdrubal, der ebenfalls die Alpen überquerte, aber 207 v. Chr. wurde er endgültig bei Sena Gallica (heute Senigallia) am Fluß Metaurus (heute Metauro) geschlagen.
Hannibal stand inzwischen in Süditalien, war von jeglichem Nachschub abgeschnitten, aber Scipio africanus richtete seine militärischen Aktionen nicht gegen ihn. Von Sizilien aus setzte er nach Utica in Nordafrika über (Hafenstadt im Gebiet des heutigen Tunesien, am nordwestlichen Golf von Tunis gelegen, war Utica ursprünglich eine phönizische Gründung, verlor seine Bedeutung allerdings an das sehr nahe gelegene Karthago: im Zweiten punischen Krieg war Utica mit Karthago verbündet, und so auch kurze Zeit erfolglos von Scipio belagert, allerdings lief es im Dritten Punischen Krieg zu Rom über, worauf es später Hauptort der römischen Provinz Africa wurde, die große Gebiete umfaßte, die ehemals Karthago gehört hatten).
Nach einigen erfolgreichen Kämpfen gegen karthagische Streitkräfte und kurzen, gescheiterten Friedensverhandlungen kam es im Jahr 202 v. Chr. zu der letzten großen Schlacht bei Zama, in der Scipio africanus maior den nach Nordafrika zurückgekehrten Hannibal vernichtend schlug; unter anderem mit der Hilfe des Bundesgenossen Massinissa, dem numidischen Thronanwärter, der nach Roms Sieg über die Karthager ein großes Reich zugeteilt bekam, das den größten Teil des heutigen Algerien, aber auch Teile Tunesiens und Marokkos umfaßte. Roms Herrschaft in Norditalien, im Gebiet der abtrünnig gewordenen Kelten wurde ebenfalls recht schnell wieder hergestellt, was die Gründung von Aquileia im Jahr 181 v. Chr. und die Unterwerfung der Ligurer klar beweist.
Karthago als Kriegsverlierer mußte Rom die Gebiete in Spanien und die Mittelmeerinseln, das es beherrscht hatte, übergeben, verlor seine Flotte bis auf zehn (!! - ein rein symbolischer Rest für eine ehemalige Handelsgroßmacht) Schiffe, war gezwungen, hohe Pönale (10 000 Talente Silber!) an Rom zu zahlen und durfte die übrigen Streitkräfte nur mehr mit der Erlaubnis Roms einsetzen.
Diese totale Niederlage konnte allerdings nicht verhindern, dass die iberischen und keltiberischen Gebiete in Spanien im ganzen zweiten Jahrhundert vor Christus ein Krisenherd im römischen Imperium blieben.

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6.     Der Tod Hannibals

Hannibal war nach der Schlacht von Zama in Karthago für einen Friedensschluß mit den Römern eingetreten, allerdings begann er nach dem Abschluß des Friedensvertrages 201 sofort, die Voraussetzungen für einen neuen Krieg zu schaffen. 196 begann er als oberster Beamte Karthagos, Verwaltung, Finanz- und Gerichtswesen zu reformieren und die Landwirtschaft zu fördern, was seinen politischen Gegnern in Karthago selbst ein Dorn im Auge war; sie verleumdeten ihn in Rom, das daraufhin seine Auslieferung wegen Vertragsbruchs forderte. Hannibal konnte allerdings fliehen, er ging an den Hof des Seleukidenkönigs Antiochos des Dritten (genannt der Große), wo er in dessen Auftrag weiter gegen die Römer kämpfte (der syrische König hatte im Zuge eines Feldzuges, bei dem ua Thrakien unterwarf, den Hellespont überschritten, was ihn in Konflikt mit dem imperium romanum brachte). Hannibal und Antiochos III wurden allerdings in der Schlacht bei Magnesia (heute Manisa, in der Türkei) von den Römern geschlagen, und Hannibal setzte seine Flucht an den Hof des Prusias I. von Bithynien fort. Auch in König Prusias Auftrag betätigte er sich militärisch, er besiegte z.B. 184 v. Chr. die Flotte des Königs Eumenes II. Soter von Pergamon. Allerdings forderte Rom 183 v. Chr. von Prusias, Hannibal auszuliefern; daraufhin beging Hannibal in der bithynischen Stadt Libyssa Selbstmord.

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7.     Kurzer Ausblick auf den Dritten Punischen Krieg und den Fall Karthagos

Schon nach dem Ende des Zweiten Punischen Krieges drang der römische Verbündete Massinissa immer wieder auf karthagisches Gebiet vor und annektierte mehrere Gebiete, da die Punier in ihrer beschränkten Souveränität (sie durften keine Kriege führen, wenn Rom nicht die Genehmigung dazu gab) kaum die Möglichkeit hatten, sich zu wehren. Im Jahr 150 v. Chr. wehrten sich die Karthager ohne römische Genehmigung gegen die numidischen Angriffe, was in Rom der Karthago-feindlichen Partei um Cato den Älteren Auftrieb gab und zur erneuten Kriegserklärung Roms an Karthago führte.
Der Vernichtungsfeldzug - von Krieg kann kaum die Rede sein - gipfelte im Jahr 146 v. Chr. mit der völligen Zerstörung Karthagos unter Publius Cornelius Scipio Africanus minor, bei der die Stadt eingeäschert und die Bewohner geschlossen in die Sklaverei verkauft wurden, sofern sie die Eroberung überlebt hatten.

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8.     Quellen

Studienbuch zur Politischen Geschichte des Altertums, hrsg. Institut für Alte Geschichte an der Universität Innsbruck, 1994 STUDIENVerlag Innsbruck-Wien, ISBN 3-7065-1101-0

Schlachten der Weltgeschichte - Von Salamis bis Sinai, hrsg. Von Stig Förstert, Markus Pöhlmann und Dierk Walter, April 2004, Deutscher Taschenbuch Verlag, München, ISBN 3-423-34083-5

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Text und Grafik: Jasmin M. Widauer
Digitale Bearbeitung, Webdesign, Layout und Redaktion : Ingo Henneberg

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