Die römische Artillerie

Das Heer des antiken Roms verfügte nicht nur über gut ausgebildete Infanterie, sondern natürlich auch über Artillerie. Diese waren vor allem die Ballista und der Scorpio, die im dritten und zweiten Jahrhundert v. Chr. von den Griechen übernommen wurden und bis in die Spätantike in ähnlicher Bauweise die Standartwaffen der römischen Artillerie waren. Diese Waffen bezogen ihre Kraft aus der in verdrehten Seilbündeln gespeicherten Energie und werden als Torsionswaffen bezeichnet (torquere; lat. = winden, verdrehen).
Es sind zwei Arten der Torsionsartillerie zu unterscheiden: Catapulta (grch. Eythytonon; Flachfeuergeschütz, vor allem für Pfeile und Bolzen und deshalb gerne Scorpio (Skorpion) genannt) und Ballista (grch. Palintonon; Steilfeuergeschütz, für Pfeile, Steine und Tonbehälter). Obwohl beide Systeme nach den gleichen Grundsätzen konstruiert wurden, gab es einige Unterschiede. Die Pfeilgeschütze hatten einen Plinthion (Rahmen), Wurfgeschütze zwei.
Auch andere Hauptbestandteile waren unterschiedlich. Pfeilgeschütze hatten eine Syrinx (Pfeife), Wurfgeschütze eine Klimax (Leiter). Erstere ruhten auf einem Dreifuss mit Drehknopf am oberen Ende, letztere standen fest auf zwei Ständern mit Schwellen, Streben und Riegeln. Je größer das Kaliber, desto fester waren bei Wurfgeschossen diese Ständer miteinander verbunden um der enormen Zugspannung der Seilbündel und der Sehne standzuhalten. Die frühen Torsionsgeschütze verschossen jedoch nur Bolzen. Erst in der Zeit Alexanders des Großen kamen sie dann auch erstmalig als Steinschleuder bei Belagerungen von Festungen zum Einsatz. Mit ihnen wurden kleinere Steinkugeln hinter die Mauern geworfen, damit Häuser zerstört wurden, zudem war auch die demoralisierende Wirkung eines solchen Steinhagels nicht zu verachten.
Nur 30 Jahre später konnte Demetrios Poliorketes bereits Kaliber von 3 Talenten (= 78 kg) verschießen. Alle Maschinen bestanden dabei aus einem hölzernen Rahmen, an dessen Ecken mittels eines Sehnenspanners in einem Spannkasten je ein Paar gewundene Seil oder Sehnenstränge verankert waren. Aus jedem Strang ragte ein starker Bogenarm aus Esche oder anderem Hartholz hervor, die von der Wurfsehne für das Geschoss verbunden waren. Heron entwickelte eine Formel, wonach die Größe der einzelnen Geschützteile in Relation zum Durchmesser der Sehnenspanner gefertigt werden konnten. Aus jenen Zahlen und dem Durchmesser der Sehnenspanner (in der Regel die einzigen archäologisch fassbaren Reste von Geschützen) lässt sich heute noch die Größe der Geschütze errechnen.
Aufgrund des dieses Befundes kann man bei den Steinwerfern die beliebtesten Kaliber bzw. Gewichte ermitteln: 10, 15, 20, 25 und 30 Minen. Bei Großgewichten bestand eine Häufung bei 60 Minen. Bei Wurfgeschossen wurde das Kaliber nach einer Formel im Gewicht von Minen berechnet: 1,1 mal der Wurzel aus 100 Kugelgewichten. So ist das Kaliber für eine Kugel von 10 Minen (4,4 kg): 1,1 mal der Wurzel aus (100 x 10) ergibt 11 Fingerbreit = 21,2 cm. Das Kaliber der Bolzen war im allgemeinen der neunte Teil ihrer Länge. Neben Bolzen und Steinen kamen auch Tonkrüge zum Einsatz. Letztere konnten mit Pech oder anderem Material gefüllt werden. Auch Brandsätze waren damit zu verschießen, was jedoch auch eine Gefahr für das hölzerne Geschütz selbst darstellte.


Ballista

Bis ins 2 Jahrhundert n. Chr. hinein war die Ballista ein zweiarmiges, hölzernes Wurfgeschütz, dessen Schleuderkraft auf der Verdrehung zweier Haar oder Sehnenbündel beruhte, in denen die Wurfarme steckten. Die Wurfarme verband wie oben beschrieben an beiden Enden die eigentliche Wurfsehne; wurde sie gelöst, so wurden die Wurfarme von der, in den verdrillten Sehnen gespeicherten, Energie nach vorne geworfen und das Geschoß von der Wurfsehne fortgeschleudert. Diese Konstruktion war aus heutiger Sicht sehr effektiv, da die kinetische Energie durch die verdrehten Sehnen auf viel kleinerem Raum gespeichert werden konnte, als dies etwa ein entsprechender Bogen aus Holz oder Metall vermögen würde.
BallistaDie Ballista gab es in verschieden Größen, wobei das kleinste übliche Modell, das in der römischen Armee des 1. Jahrhunderts benutzt wurde, etwa 1000 kg wog und Steinkugeln von 8,5 römischen Pfund verschoss. Dabei war im 1. Jahrhundert vermutlich jeder Kohorte je ein solches Geschütz als "Feldgeschütz" zugeteilt, also 10 pro Legion. Diese Geschütze konnten aufgrund ihrer höheren Reichweite gegenüber Bogenschützen, in sicherer Distanz zum Gegner aufgebaut werden und zum Beschuß leichter Befestigungen dienen. Für den gezielten Einsatz gegen Personen waren jedoch diese Ballisten zu schwerfällig und das Laden dauerte selbst bei geübter Mannschaft zu lange, hierfür wurde der Scorpio benutzt (siehe dort0.) Bei Belagerungen von starken Befestigungen oder Städten wurden jedoch erheblich größere Modelle vor Ort errichtet, die teilweise gewaltige Ausmaße gehabt haben müssen, so sprechen antike Quellen von einzelnen Geschützen, die bis zu 200 Pfund schwere Steinkugeln verschossen haben sollen. Diese wurden oft vor Ort nach einem Baukastensystem aus vorgefertigten Einzelteilen errichtet Um 100 n.Chr. wurden die Ballistai bei Tacitus zum letzten Mal schriftlich erwähnt, auch auf der Trajanssäule sucht man sie vergeblich. Allerdings scheinen sie zumindest bis ins dritte Jahrhundert verwendet worden zu sein; aus dieser Zeit gibt es römische Funde vor der Wüstenfestung Hatra.


Scorpio

Geschütze, die statt Kugeln Bolzen oder übergroße Pfeile abschossen, wurden Scorpio (Skorpion) genannt. Sie funktionierten nach dem gleichen Prinzip, wie die Ballista. Der Scorpio wurde jedoch primär gegen bewegliche Ziele, also Infanterie oder Kavallerieverbände eingesetzt, da mit dem Scorpio aufgrund seiner viel kleineren Bauart ein direkter Beschuß möglich war. Bolzen eignen sich hier also besser als Steinkugeln. ScorpioDiese Geschütze wurden von minimal zwei bis drei Personen bedient; dem Richtschützen, einem Ladeschützen der gemeinsam mit einem Dritten das Geschütz spannt. Bei größeren Modellen waren natürlich erheblich mehr Männer nötig, die die Geschütze sogar mit Winden und Flaschenzügen spannen mussten. Mit beiden Versionen dieser Waffe konnten die Geschosse (telum / tormentum) bis zu 400 oder sogar 600 m weit geschleudert werden, die effektive Gefechtsentfernung betrug jedoch viel weniger. In der frühen Kaiserzeit war vermutlich jeder Centurie ein Scorpio zugeteilt. Im 2. Jahrhundert wurde der hölzerne Scorpio von einem Modell mit eisernem Rahmen und bronzenen Sehnenkartuschen verdrängt, so dass die Konstruktion einfacher zu montieren und auch leichter zu transportieren war, ein solches Modell ist auf der Trajansäule belegt (die so genannte Cheiroballista). Unbekannt ist, ob es in der antike Mehrladergeschütze wirklich gab; Dionysios von Alexandria berichtet etwa von einem Scorpio, der aufgezogen wurde und dann selbsttätig durch mechanische Vorrichtungen mehrere Bolzen aus einem Magazin abfeuern sollte, bewiesen ist dies aber nicht.


Manuballista

Als dritter Typ dieser Waffen, kann die Manuballista (Handballista) gezählt werden. Manuballista Diese Waffe ist seit dem 4. Jahrhundert in Griechenland und schon im 2. Jahrhundert in Italien bezeugt und es handelt sich dabei am Anfang um eine Armbrust mit hölzernem Bogen, die jedoch hauptsächlich zur Jagd oder Verteidigung von Befestigungen diente. Ihr griechischer Name war Gastraphetes (Bauchgewehr). Im Prinzip handelte es sich um einen auf einem Stock befestigten Kompositbogen. Der Bogen konnte nicht mehr per Hand gespannt werden, sodass man hierfür die Waffe auf den Boden richtete und sich mit dem Bauch dagegenstemmte. Bei den Römern entwickelte sich diese Waffe in verbesserter Form als Miniaturballista auch zur Kriegswaffe: Die Konstruktion war dabei so verkleinert, dass sie von einer Person gespannt und in der Hand getragen werden konnte. Diese Waffe als Vorläufer der mittelalterlichen Armbrust wurde jedoch nicht im großen Umfang verwendet und in der Spätantike wieder "vergessen". Im Stellungskrieg wurde sie wohl als eine Art Scharfschützenwaffe eingesetzt, es gab keine größeren Abteilungen, die mit dieser Waffe ausgerüstet waren. Problematisch war vor allem die lange Nachladedauer, ein Bogenschütze konnte in gleicher Zeit deutlich mehr Pfeile abfeuern, als ein Schütze mit einer Manuballista. Vorteil der Manuballista war jedoch die wesenendlich größere Durchschlagskraft.


Onager

In der Spätantike wurde besonders der Onager (Wildesel) als großkalibrige Artillerie verwendet, hierbei handelte es sich um einen vertikalen Wurfarm, der in einem Sehnenbündel steckte. Diese Konstruktion war jedoch auch schon einige Jahrhunderte zuvor bekannt gewesen. Mit Winden wurde der Arm nach hinten gezogen. Beim Abschuss wurde dann der Wurfarm durch die verdrehten Sehnen nach vorne auf einen Prellbock geworfen. Am Ende des Wurfarms befand sich dabei eine Schlaufe ähnlich einer Steinschleuder, die das Geschoß bei einem bestimmten Winkel des Wurfarms frei gab und nach vorne schleuderte und so schon vom Prinzip her einem Tribock gleichte. Vegetius schrieb im 4. Jahrhundert einer Legion, die jedoch keine 6000 Mann mehr umfasste, 55 Carroballistai und 10 Onageri zu. Zu dieser Zeit wurden die Kriegsmaschinen auch in Feldschlachten sehr häufig eingesetzt. Eine Carroballista, also eine Ballsita auf einem fahrbarem Untersatz, wurde von Eseln gezogen. Die Bedeutungen von Ballista und Scorpio bzw. Catapulta hatten sich indes vertauscht. Die anderen Wurfgeschütze kamen in der Spätantike vermutlich nicht mehr zum Einsatz.


Der Schußvorgang einer Ballista:

1. Der Schlitten, also der Lauf über die die Kugel später abgeschossen wird, wird nach oben zur Sehne geschoben und eingehakt.

2. Der Schlitten, und mit ihm die eingehakte Sehne wird mit einer Winde am Fuß der Ballista zurückgezogen, die Sehne zieht dabei die Wurfarme zurück, welche wiederum die, schon vorgespannten, Sehnenstränge weiter verdrehen und so die Energie speichern. Zahnräder arretieren die Winde, so dass sie nicht zurückschnellt.

3. Ist die gewünschte Spannkraft erreicht, wird die Kugel auf den Lauf des Schlittens gelegt.

4. Der Richtschütze zieht dann zum Lösen des Schusses an einem Seil, welches durch einen Hebel die Sehne freigibt die die Kugel über den Schlitten nach vorne schiebt und fortschleudert.



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